Alexander Renz – NICHT ZUM LETZTEN MAL


Sie ist alt, schießt es mir durch den Kopf.
Sie hat schon eine Menge mitgemacht, sagt mir ihr Körper.
Sie muss ziemlich stark sein – oder verrückt, denn sie krallt sich am Leben fest.
Das war nicht immer so, sagt sie mir.
Ich gehe auf Distanz, denn wir brauchen Gewissheit für unser Vorhaben.
Keine Gefühle, nur Sex, sage ich.
Sie nickt.
Vier Kinder, von allen Vätern sitzengelassen, ein missglückter Selbstmordversuch, sagt sie mit Tränen in den Augen.
Ich verspüre Mitleid.
Zuvor wollte ich sie noch wegschicken, jetzt kann ich es nicht mehr.
Sie fühle sich wohl bei mir, sagt sie.
Ich kann nur nicken und sie in den Arm nehmen.
Gedanken zerfasern und es bleiben Gefühle, die nichts mit Liebe zu tun haben.
Auch nichts mit Begierde.
Sinneseindrücke, die erst später hochkommen.
Zwei Stunden später ist sie wieder weg.
Im Raum hängt noch der Geruch ihres Parfüms und von kaltem Rauch.
Die Mischung bereitet mir Kopfschmerzen,
ebenso wie das,
was eben passiert ist.
Sie fand viele nette Worte,
und ich konnte keines der Komplimente erwidern.
Sie gab sich Mühe,
doch sie war unbeholfen wie ein Teenager.
Sie rief ein derart ungewolltes Gefühl der Überlegenheit in mir hervor,
dass ich mich schlecht fühlte.
Sie hatte mir nichts getan,
– kein Grund, die Situation auszunutzen.
Ich betrachte das zerwühlte Laken,
sehe, dass sie einen Ohrring und eine Haarklammer verloren hat.
Jetzt habe ich schon drei Ohrringe von ihr.
Sie will wiederkommen.
Warum? frage ich mich.
Ich fühle mich verkatert
ganz ohne Alkohol.
Mit einer Kurzmitteilung bedankt sie sich noch einmal für den Abend und wünscht mir schöne Träume.
Eine Antwort bleibe ich ihr auch dieses Mal schuldig.

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