Mit seinem großen Syllogismus, dem berühmtesten aller Syllogismen (falls logische Schlüsse berühmt sein können), mit dem „cogito ergo sum“ versicherte sich Descartes seines Daseins. „Ich denke, also bin ich“ – wenn da ein Gedanke ist, und das ist der Fall, dann muß da auch sein Denker sein: so beweist Descartes emphatisch durch sein Denken seine Existenz. Dieser elegante Schluß ist, obgleich er einige unausgesprochene Prämissen voraussetzt, sehr einfach einsehbar und plausibel. Seine Wahrheit ist so offensichtlich, daß er schon fast trivial wirkt.
Jedoch: manchmal, wenn ich in der Bibliothek des philosophischen Institutes saß und die schön gebundenen Bände der alten Descartes-Ausgabe im Regal betrachtete, dann kam ich nicht umhin zu denken, daß sich Descartes möglicherweise doch getäuscht hat, sich hat täuschen lassen durch die Natur der Sprache, welche stets ein Subjekt postuliert. Denn: da waren ja die Gedanken, und zwar einschließlich des „cogito ergo sum“, fein säuberlich in schönem Latein zwischen dicken Buchdeckeln konserviert. Gedanken, die „ich“ sagen, obwohl ihr Denker, den dieses „ich“ ursprünglich bezeichnete, schon lange zu Staub geworden ist – also gleichsam ein cogito ohne ein sum. Diese Gedanken sind, auch ohne Descartes, noch immer am Leben und höchst agil, wovon sich jeder überzeugen kann, der die Seiten aufschlägt und sich mit ihnen auseinandersetzt. Und das ist, bedenkt man es recht, doch sehr erstaunlich.
– Mich läßt diese Meditation (die, führte man sie weiter, die Frage aufwerfen könnte, ob auch wir lediglich Figuren in einem Buche sind) immer wieder ergriffen sein von der geheimnisvollen Lebendigkeit der Bücher. Ein gewisser gedankenvoller Schornsteinfeger erzählte mir einmal, daß er sie nachts, wenn er sehr leise war, zuweilen sogar hat wispern hören. Dies mag jedoch eine Geschichte sein.