Antonia K. – Tage, die

 J. am besten beendet
Den Kopf zur Seite gelehnt – eine Handvoll Regen streift über die Schläfe
es wird still
Das Hämmern der Boxen verklingt in den Tropfen. Der Ton greift in, greift durch den Körper.
Das Ziepen und Schmatzen eines Reifens in der Pfütze, ein bleicher Mann mit grauem Pullover, eingefallen, Wangenknochen, trinkt aus dampfendem Becher. Augen wandern weiter.
Telefon klingelt. Eine Stimme: Hab ich dich geweckt?
Kommst du heute?
Kommst du heute Abend mit?
es wird still
Die Stimme verklingt in den Tropfen. Das Knistern des Zigarettenpapiers, Tabak, Filter, rollen, verkleben, besehen, im Mundwinkel gelassen und die Hände suchen nach Feuer, entflammen, ziehen. Der Klang, wenn Rauch in die Lunge fließt.
Wer willst du sein, wenn du nach Hause kommst?
Wer willst du sein, wenn du –
Telefon klingelt. Eine Stimme: Hab ich dich geweckt?
Kommst du heute?
Kommst du heute Abend mit?
– Nein.
es wird still
Das stumme Geräusch, wenn Hände zittern. Tonloses verklingt in den Tropfen. Niedergelassen und geschrieben – geschrieben, gezittert, gedacht, Seiten geblättert, gereihte Buchstaben warten auf eine laut lesende Stimme.
Draußen, sitze auf der Bank, den Kopf zur Seite gelehnt. Es passiert zu viel, dass nicht verklingt.
Ich werde wütend, blind schreien und gehen, laufen und die Tropfen spüren auf meinen Schläfen; nicht geschlafen, schonwieder nicht geschlafen, Ticken einer Uhr ist der Takt meiner Schlaflosigkeit.
Telefon klingelt. Eine Stimme: Hab ich dich geweckt?
-Ja.
es wird still
Ich gehe zurück und du stehst schon in der Tür, sagst, es gäbe hier keine FI-Sicherung. Ich frage, was das bedeute und du erwiderst trocken: Dass man sich noch stilvoll mit nem Föhn in der Badewanne umbringen kann.
Und ich lache und beginne dann zu weinen. Heute ist so viel Leben in den Tropfen verklungen. Du ziehst mich an deine Brust und streichst meinen Rücken. Ich weine in dein Hemd und denke an die Frau die du liebst, die du so aufrichtig liebst, so aufrichtig, wie ich niemals imstande war zu lieben. Ich denke daran, dass ich sie nicht kenne, dass du sie liebst und trotzdem verletzen wirst.
Das Telefon klingelt. Ich gehe nicht dran.
Sterben werden wir sowieso, ob stilvoll oder nicht spielt dann auch keine Rolle, sagst du.
Ich nicke getröstet.
Morgen weiß ich wieder, wohin ich gehöre.
Morgen weiß ich wieder, wer ich bin, wenn ich nach Hause komme.

 

2 thoughts on “Antonia K. – Tage, die

  1. Toni, ich liebe es mich von deinen wortmalerischen Zeichnungen auf eine Reise entführen zu lassen.
    Du nimmst den Leser oder Zuhörer bei der Hand und zeigst ihm eine gemalte Welt die man sonst im Trubel des Alltags nicht finden würde.
    Danke dafür!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert