Gerhard Reule – Warum ich an ein Leben nach dem Tod glaube.

Meine Katze Leonie ist tot. Ihr Niedergang dauerte lang, wie das bei einem zuckerkranken Tier halt der Fall sein kann. In stillen Augenblicken, von denen es sehr viele gab, pflegte ich ihr folgendes zu sagen: „Liebe Leonie! Hör gut zu! Es gibt eine geistige Welt, und du gehörst ihr auch an. Das bedeutet, du hast eine unsterbliche Seele. Das ist gut und wichtig.“ Diese Worte wird sie nicht verstanden haben, aber auf einer emotionalen Ebene ist sicherlich etwas angekommen. Sie hat mir vertraut, wie sie mir immer vertraut hat, und sie hat gut daran getan. Ich habe sie beschützt und verteidigt, und ich habe sie nie verraten oder angelogen. Euch nun will ich erzählen, warum ich an ein Leben nach dem Tod glaube.

Im Herbst 1986 hielt ich auf dem jährlichen Workshop der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Parapsychologie in der Villa Bauer in Offenburg einen Vortrag mit dem Titel Lumina und die integrative Funktion. Ein Beitrag zur Erkenntnistheorie außersinnlicher Wahrnehmung. Mein Vortrag war der letzte des ersten Tages, und einer der anwesenden Physiker, Illobrand von Ludwiger, nannte ihn den interessantesten des ganzen Tages. Er fühlte sich an die Physik Burkhard Heims erinnert. Den Vortrag vor mir hielt ein um sieben Jahre jüngerer Doktorand aus Marburg. Er hieß Thomas Metzinger, und der Titel seines Beitrags war: Philosophische Aspekte außerkörperlicher Erfahrungen. Thomas Metzinger hatte eine außerkörperliche Erfahrung gemacht und forderte nun Intersubjektivität für solche höchst subjektiven Erlebnisse, eine Intersubjektivität, die er dadurch bewerkstelligen wollte, dass man viele vergleichbare Berichte sammelt. Womit der subjektive Charakter natürlich nicht vollständig eliminiert wäre, denn schließlich wäre man auf Erzählungen subjektiver Erlebnisse angewiesen, denen man Glauben schenken müsste. Als ich Thomas Metzinger im Jahr darauf wieder in Offenburg traf, fragte ich ihn nach seinen neuesten Erkenntnissen. Er empfahl mir recht arrogant ein medizinisches Buch über die Ätiologie von Geisteskrankheiten. Thomas Metzinger war Materialist geworden. Heute ist er ein international renommierter Bewusstseinsphilosoph. Es stimmt schon, wenn man das Gehirn elektrisch stimuliert, oder wenn man bestimmte chemische Substanzen verabreicht, kann dies das bewusste Erleben erheblich beeinflussen oder sogar ausschalten. Bei Läsionen verliert man bestimmte Fähigkeiten. Umgekehrt hat man allerdings auch anatomische Veränderungen des Gehirns nach erfolgten Psychotherapien nachgewiesen. Hier sticht der Geist das Fleisch. Für Materialisten ist das Bewusstsein ein Epiphänomen des Gehirns, und die Person wird vom Gehirn errechnet. Sie glauben nicht an eine postmortale Existenz der Person. Als Geisteskrankheit aber würde ich, wenn man denn mich fragte, eher den weit verbreiteten Materialismus bezeichnen, denn er macht die Menschen nicht glücklich. Noch ist er zwingend. Er ist die schäbigste Ideologie, die die Menschheit je hatte, denn er disqualifiziert und bagatellisiert die eindringlichsten und erhebendsten Erfahrungen, die Menschen haben können. Der Vulgärmaterialismus schließlich ist eine Seuche.

Er ist einerseits die direkte Folge der Vivisektionen und anderer Tierversuche, die im 19. Jahrhundert eingesetzt haben und bis heute andauern, andererseits folgt er aus der methodologischen Forderung der Intersubjektivität, die in den Wissenschaften durchaus einen Sinn hat. Intersubjektivität bedeutet, dass eine Beobachtung von beliebig vielen Menschen gemacht werden können muss. Aber unter der Hand hat man aus ihr zu weitreichende Schlüsse gezogen. Intersubjektivität bedeutet nämlich auch, dass man zwangsläufig nur äußere Ereignisse gelten lassen kann. Daraus wurde insgeheim der unangemessene Schluss gezogen, dass nur die äußere Welt wirklich ist, die innere hingegen von der äußeren abgeleitet. Wie aber verhält es sich mit außersinnlichen Wahrnehmungen? Es gibt irrationale Erkenntnisquellen, und man muss schon sehr voreingenommen sein, um dies zu leugnen.

Der legendäre weise Narr des Islam, Nasreddin Hodscha, hat diese Einseitigkeit der Wissenschaften in einer schönen Parabel karikiert.

Nasreddin Hodscha verließ ungefähr um Mitternacht die Taverne und begab sich auf den Heimweg. An seiner Haustüre angekommen merkte er, dass er unterwegs seinen Schlüssel verloren hatte. Also kehrte er um, um ihn zu suchen. Nach einer gewissen Zeit traf ihn ein Freund, der sah, dass Hodscha im Schein einer Straßenlaterne etwas auf dem Boden suchte. Er fragte nach, und Nasreddin Hodscha erzählte ihm, dass er hier seinen Schlüssel schon seit drei geschlagenen Stunde suche. „Aber warum suchst du ihn nur im Schein der Laterne?“, frage ihn sein Freund. „Weil es nur hier hell ist!“, antwortete Nasreddin Hodscha.

Theoretisch ist vieles möglich. Es gibt jede Menge beobachtbarer Phänomene, die mit den Neurowissenschaften nicht erklärbar sind. Oder wenn, dann höchstens mit Spekulationen, die nur in jenen das Gefühl von Plausibilität erwecken, die sich sozial in diesen Wissenschaften aufhalten. Mit sozialem Abstand dazu schwindet die Plausibilität. Ich nenne als Beispiele die Gefordertheit nach Wolfgang Köhler, die sich als Spannung in einem Krimi, als Subjekt-Prädikat-Relation eines Satzes, als Begierde und Sehnsucht, als Suche nach Sinn oder generell als Suche äußert; der Computer sucht nicht, er zählt nur sehr schnell. Wer sucht, ist der Mensch, der den Computer bedient. Dann wäre die Einheit des Bewusstseins zu nennen. Man weiß nicht, wie die verstreuten Informationen im Gehirn zu einer phänomenalen Einheit integriert werden. Aber das Bewusstsein ist immer eine Einheit, gleichgültig, wie viele Einzelelemente man darin ausmachen kann. Der Hirnforscher John Eccles wies außerdem darauf hin, dass man die Vordatierungen sensorischer Reize nach Benjamin Libet nicht versteht. Darauf komme ich gleich zu sprechen.  Zu beachten sind auch die differenzierten und zum Teil verifizierbaren Erlebnisse bei nicht mehr durchblutetem Gehirn, die man Nahtoderlebnisse nennt. Es gibt gut dokumentierte Fälle, in denen während der Erfahrung das kortikale EEG die Null-Linie zeigte und auch keine evozierten Potenziale vorlagen. Ein kortikales EEG zeichnet die elektrische Aktivität der Hirnrinde auf. Evozierte Potenziale sind elektrische Erregungen aufgrund von eingehenden Reizen. Schließlich möchte ich den Fall eines sozial und kognitiv unauffälligen Mathematikers mit einem Hydrozephalus (Wasserkopf) nennen, bei dem nur noch 5 % des Gehirns übrig waren, und den John Lorber beschrieben hat. Darüber habe ich vor zwei Jahren eine kurze Erzählung verfasst.

Ich will exemplarisch die Vordatierung skizzieren:

Wir wissen genau, wie schnell die Nervenimpulsgeschwindigkeit ist, das sind nur zwei Meter pro Sekunde. So wie ein eiliger Fußgänger, so schnell laufen die Nervenimpulse. Wenn man einen Reiz auf die Zehenspitze eines zwei Meter langen Menschen setzt, dann kann dieser erst nach einer Sekunde im Gehirn ankommen. Was auch immer im Regelkreis dazwischengeschaltet ist, kann die Sache nur noch weiter verzögern. Der Reiz wird aber augenblicklich wahrgenommen, also schneller, als er überhaupt im Gehirn ankommt. Man kann das überhaupt nicht verstehen.

Die meisten Naturwissenschaftler gehen mit dem Bewusstseinsproblem recht unbekümmert um. Für die Philosophen bleibt es allerdings ein zentrales Thema.

Beobachtet man Wissenschaftssendungen der Medien zur Kosmologie, dann klingt das immer so, als sei man beim Urknall dabei gewesen. Doch allein mir als Laien sind fünf aktuell konkurrierende physikalische Theorien zur Welterklärung wenigstens dem Namen nach bekannt: das Standardmodell der Raum-Zeit mit dem Urknall, die String Theorie, die Loop-Quantengravitation, die Quasi-State Theorie und die Feldtheorie Burkhard Heims, die den Anspruch hat, die Gravitation und die elektromagnetische Feldtheorie zu vereinen. Letzterer behauptet zum Beispiel, dass man, um die Existenz eines Elektrons zu erklären, bereits sechs Dimensionen annehmen müsse. Es gäbe zwölf dieser Art, und auch der Mensch lebe in sechs Dimensionen, was seine postmortale Existenz möglich mache. Heims Theorie fordert über die vier Dimensionen der Raum-Zeit hinaus weitere vier rein geistige Dimensionen als Informationsraum ohne physikalische Energie, und vier Dimensionen, die dazwischen vermitteln. Heim schrieb in Büchern, statt in Fachzeitschriften, und das auf Deutsch, weshalb er wenig bekannt ist. Man sagt, ein Physiker brauche ein Jahr, um sich einzuarbeiten. Was ich damit zeigen will, ist, dass selbst physikalische Theorien bis zu einem gewissen Grad soziologische Phänomene sind, und dass die materialistische Sicht der Dinge, die heute so laut auftritt, keineswegs ausgemachte Sache ist.

Überhaupt denke ich, dass nicht das Bewusstsein eine Erscheinungsform der Materie ist, sondern umgekehrt die Materie eine Erscheinungsform des Bewusstseins. Denn jene formalen Konfigurationen, über denen sich nach meinen Überlegungen Bewusstsein konstituiert, und die es auch anstrebt, findet man überall im Universum. Wie dem auch sei, da theoretisch eine ganze Menge möglich ist, sind die persönlichen Erfahrungen der einzelnen Menschen ausschlaggebend.

C.G. Jung argumentierte in seinen Erinnerungen, dass es Fragen gibt, die man als intellektuelles Problem fallen lassen müsse. Solch eine Frage sei zum Beispiel, warum das Universum existiere. Eine andere sei eben die nach der postmortalen Existenz. Aber, so überlegte Jung, da das Unbewusste mehr wisse als das Bewusstsein und da es außersinnliche Wahrnehmungen gebe, sei es vernünftig, dem, was das Unbewusste zu diesen Themen hochspült, einigen Kredit zu geben. Und das Unbewusste argumentiere für ein Leben nach dem Tod. Darüber hinaus lebe derjenige, der diesen Erfahrungen traut, im Einklang mit seinen Instinkten und nicht gegen sie, was einen erheblichen Vorteil zu Gunsten des Ersteren bedeutet. Wer von einem Leben nach dem Tod überzeugt ist oder es wenigstens für möglich halten kann, lebt leichter und sinnvoller. Denn früher oder später bekommt man mit dem Tod zu tun. Täglich wird gestorben. Der Tod ist etwas ganz Gewöhnliches. Doch wenn man selber dran ist oder jemand, den man liebt, dann ist er etwas ganz Besonderes.

Den Reigen subjektiver Erfahrungen beginne ich mit einem Erlebnis von mir, das zunächst nur die Existenz irrationaler Erkenntnisquellen belegen soll.

Am 7. Oktober 1997 hatte ich geträumt, ich befände mich in Nordamerika an der Westküste, relativ weit im Norden der USA. Es war Winter und Nacht. Wir brachen zu einer geheimen Aktion auf. Ein bedrohter Indianerstamm sollte heimlich zu einem verwandten Stamm ins Landesinnere geführt werden. Dort würden die Indianer abgelegener leben und wären weniger bedroht. Dann kam die Indianerin, die uns führte. Sie sagte, dass mehr vorgesehen sei. Die Expedition würde größer werden. Wir müssten vom Nordpol bis Feuerland wandern, die ganze Indianerstraße entlang. Dann wiederholte sie: vom Nordpol bis Süddakota. Dazu sah ich, wie vom Nordpol bis zum Äquator alle Stützpunkte auf der großen Indianerstraße abgewandert werden sollten. Dazu wusste ich gleichzeitig, wir sollten von Alaska bis zum Süden der USA wandern. Die Aufgabe war groß. Ich bat meine Mutter, die Indianerin war, um ihren Segen. Ich wusste, dass wir dabei zu Grunde gehen konnten, aber was ist ein Leben wert, wenn es nicht erfüllt ist? Den ganzen Traum über war ich in Vorfreude und voll des Sinns, den unser Vorhaben hatte.

Das eigentliche Thema wurde im Traum variiert wie eine eingängige Melodie. Aus meiner damaligen Situation war der Traum nicht erklärbar. Dass ich eine Sympathie für naturnahe Völker hatte, war mir bekannt. Auf meine Instinkte hörte ich ebenfalls. Deswegen musste ich den Traum nicht träumen.

Fast ein Jahr später, am 12. September 1998, erzählte mir meine Freundin Emily am Telefon von einer Begegnung mit einem argentinischen Indianer in Madrid, die sie im Frühjahr 1998, also ein halbes Jahr nach meinem Traum, gehabt hatte. Dieser Indianer hatte ihr erzählt, dass die Medizinmänner verschiedener Indianerstämme auf dem ganzen amerikanischen Kontinent dazu aufgerufen hätten, von der Nordspitze Amerikas bis zur Südspitze zu laufen, um die Menschen aufzurütteln. Es sei später als fünf vor zwölf. Sie hätten sogar schon einen Probelauf versucht, seien aber an der ersten Grenze schon gescheitert. Die Indianer wollten keine Werbung für ihren Lauf machen. Sie gingen davon aus, dass diejenigen, die dafür infrage kämen, es schon irgendwie erführen.

Dieses Erlebnis ist nur eines von vielen, die ich hatte, und die mich von der Existenz irrationaler Erkenntnisquellen überzeugten. Und da ich meine Geschichten immer schon auch anderen Menschen erzählt habe, habe ich auch von diesen viele solcher Beispiele erzählt bekommen.

Eine Tante Emilys hatte einen Wellensittich, den sie sehr liebte. Den Wellensittich nannte sie Romeo und sich selber Julia. Später gesellte sie Romeo noch einen zweiten Wellensittich hinzu, was die Liebe zwischen Romeo und Julia aber nicht schmälerte. Eines nachts träumte sie, dass ihr Bett mit ihr durch die Lüfte flog und schließlich in einem Wald landete. Nun sah sie, dass rings um sie her lauter Vögel flatterten und zwitscherten und sich des Lebens freuten. Sie stand im Bett auf und tanzte mit den Vögeln. Schließlich entdeckte sie unter ihnen Romeo und erwachte. Der Gedanke, der ihr sogleich durch den Kopf schoss, war, dass Romeo gestorben sein könnte. Sie sah nach, und er lag tot im Käfig.

Es ist nicht von Belang, woher dieser Gedanke kam, in jedem Fall stellt die zeitliche Koinzidenz einen Bezug zwischen dem Tod und dem Traum her. Und in letzterem ist der Inhalt von Bedeutung. Das Unbewusste hat den Tod des Tieres als Fest dargestellt, was im krassen Gegensatz zur äußeren Realität stand. Im Kontext der vorangestellten Indianergeschichte ist es nicht unvernünftig, dieser Traumaussage Glauben zu schenken.

Ich selbst trauerte nach dem Tod meines Freundes Dietrich sehr. Eines nachts hatte ich im Dunkeln folgende Vision: Von rechts oben näherte sich mir eine schwarz vermummte Gestalt. Ein langes, schwarzes Tuch war ihr über Kopf und Körper gezogen, und sie sah bedrohlich aus. Da hatte ich Mitleid mit ihr und dachte: „Du bist genauso traurig wie ich, komm her, lass dich umarmen!“. Die Gestalt war inzwischen direkt vor mir. Da drehte sie sich um, und unter der Kapuze seines dunkelblauen Mantels hervor lachte mich Dietrich an. Sein Lachen traf mich wie ein warmer Strahl der Sonne, und mein düsteres Gemüt hellte sich auf.

Ein halbes Jahr nach seinem Tod fühlte ich mich in der Meditation plötzlich von ihm getröstet. Ich war richtig überrascht. So lange er krank war, musste ich ihn trösten, jetzt waren die Rollen vertauscht. Weil ich ein rationaler Mensch bin, dachte ich augenblicklich, mein Bild, das ich von ihm verinnerlicht hatte, hat sich selbständig gemacht. Doch dann machte ich mir klar, dass sich die Erfahrung eigenartig fremdpsychisch anfühlte. Mit fremdpsychisch meine ich, dass ich seine Anwesenheit greifbar spürte. Es war ein telepathisches Erlebnis. Es war gänzlich ohne Sprache. Und wenn er es nun wirklich wäre, überlegte ich, und ich würde ihn nicht ernst nehmen, wäre ich doch dumm und unverschämt. Ich ließ mich trösten. Nach einer Minute war das innere Erlebnis vorbei.

Solche fremdpsychischen Erfahrungen hatte ich zweimal nach dem Tod meiner Mutter und einmal während der Totenfeier der Frau eines Freundes. Beim ersten Erlebnis mit meiner Mutter fehlte diese Bezogenheit auf mich. Als sie ganz frisch gestorben war – die Monitore auf der Intensivstation zeigten gerade alle die flache Linie an – spürte ich innerlich sehr deutlich, wie sie lachte. Sie lachte geradezu triumphierend. Etwa in dem Sinne: „Ich hab’s ja gewusst!“

Da meine Mutter eine gläubige Katholikin war, bin ich einige Wochen später für sie zur Kommunion gegangen, obwohl ich selber keiner Konfession angehöre. Währenddessen habe ich wieder ihre Anwesenheit gespürt. Diesmal betrachtete sie mich. Außerdem war noch etwas Größeres, Erhabenes anwesend, das ich nur als heilig bezeichnen kann. Die Erfahrung war so spirituell, dass ich überlegte, ob ich in Zukunft regelmäßig zur Kommunion gehen sollte. Ich wusste aber, dass das hier eine außerordentliche Situation war, die ich nicht wiederholen konnte. Ich hätte mich auch in keiner Konfession mehr zuhause gefühlt. Als ich nach dem Tod meines Vaters für ihn zur Kommunion ging, habe ich nichts erlebt.

Die Frau meines Freundes Mathias hieß Margarete und war an Knochenkrebs gestorben. Ich kannte sie nur flüchtig, aber ich hatte auf seine Bitte hin in ihren letzten Lebensmonaten ihren Kater Kasimir zu mir genommen. Während der Totenfeier dachte ich an Kasimir und daran, dass es jetzt dann Zeit wäre, ihn zurückzugeben. Ich war etwas in Sorge, ob es das Tier bei Mathias und seinen beiden Kindern auch gut haben würde, und fragte in Gedanken Margarete danach. Auch diesmal spürte ich deutlich die Anwesenheit der Toten. Wieder war die Botschaft gänzlich ohne Sprache und hat meine Bedenken zerstreut. Dabei fühlte ich mich von Margarete mit großer Liebe betrachtet. Diese Liebe hat mich völlig überrascht. Ich verabschiedete mich dann von ihr und zog mich aus der Verbindung zurück, weil ich wusste, dass im Saal Personen anwesend waren, die mehr Recht auf eine Kommunikation mit ihr hatten als ich.

Mein stärkstes inneres Erlebnis einer Verbindung mit Gestorbenen hatte ich fünf Jahre nach dem Tod meines Freundes Dietrich im Sommer 1999, als ich bereits an Krebs erkrankt war, es aber noch nicht wusste. Ich habe die Erfahrung literarisch aufbereitet, veröffentlicht und vor einigen Jahren einmal bei evenletters vorgelesen.

Mehrfach wurde berichtet, dass schwer demente Personen im Augenblick des Todes wieder klargeworden sind und ihre Angehörigen wiedererkannt haben. Meine Freundin Emily erzählte von einer weiteren Verwandten, einer einfachen Frau, die geistig zurückgeblieben war. Sie war an Krebs erkrankt, aber man hatte es ihr nicht gesagt, um sie nicht zu beunruhigen. Eine Verwandte nahm unter einem Vorwand ihren Schäferhund zu sich. Die Frau wurde hospitalisiert, und es ging ihr immer schlechter, bis sie sich irgendwann im Bett aufrichtete und erleichtert sagte: „Jetzt bin ich überm Berg!“ Eine Minute später war sie tot.

Diese Beispiele sollen genügen, um hoffnungsvoll zu sein. Ich hatte noch weitere Erlebnisse, die mich an ein Leben nach dem Tod glauben lassen. Vielleicht ist das Wort Leben falsch gewählt, denn Leben ist biologisch, aber das ändert nichts am Kern der Aussage. Ich verzichte darauf, im selbstgesteckten engen Rahmen dieses Essays alle meine Erlebnisse zu berichten.

Nichts ist so evident wie persönliche Erfahrungen. Erfahrungen solcher Art wurden von Menschen zu allen Zeiten gemacht. Von Nahtoderfahrungen ganz zu schweigen. Ich kann niemanden überzeugen, der nicht überzeugt werden will, aber ich wollte euch anlässlich des Todes meiner Katze Leonie einmal erzählt haben, weshalb ich an ein Leben nach dem Tod glaube. Ich staune immer, wie viele Menschen das eigentlich auch glauben wollen, aber klagen, dass sie das nicht können, weil ihr Wissen es nicht zulasse, und wie wenig Mühe sie sich geben, die Gründe, die sie daran hindern, auf Herz und Nieren zu überprüfen. Sie geben zu schnell auf. Eine Alternative wäre, diese ganzen Theorien einfach links liegen zu lassen und zu vertrauen. Wem? Meine Katze hat mir vertraut.

 

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