Jochen Schünemann – Die Last der Binärcodes

Das einsame Stundenkarussell dreht sich zwischen den durchsichtigen Wänden einer maroden Zeiteinheit, gefangen zwischen verlebten Vergangenheiten und enterbten Zukunften, und spreizt nonchalant diese zwei wuchtigen Schenkel, um mir Augenblicke entgegen zu hauchen, die schneller verblinzelt sind als die Orgasmen eines wollüstigen Amöbenpärchens. Die Ingredienzien dieser sublimen Selbstinszenierung sind banal, radikal und untriumphal. Binäre Strukturen, Kinder pragmatischer Programme und logischer Logistik, entziffern mir das Schwarze vom Weißen, moralisieren das Gute vom Schlechten, ästhetisieren das Schöne vom Hässlichen und realisieren das Echte vom Falschen. Unterscheidungsnebel. Traumata der Logik. Dechiffrieren, sezieren, auseinanderdividieren, kategorisieren, katalogisieren, abstempeln, mit Etiketten versehen und in Schubladen stecken. Beschäftigungen meines vielbeschäftigten Gehirns, das die Neuronen durch seine Windungen schießt wie eine tollwütige Artemis ihre Pfeile in einer Neumondnacht. Spinnen auf Kokain bauen andere Netze als Spinnen auf Opium. Das ist mir bewusst, während ich meine Netze in jedem Zustand gleich spinne und mich schäme Kafka´s Vorliebe für Ungeziefer zu verstehen. Entrückung. Schuld. Atlas. Der Himmel wiegt mehr als sechs Fuß Erde über meinem Haupt. Wie kann ich einen Befehl generieren, der es mir erlaubt diese Welt ernst zu nehmen?

(1.11.2013)

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